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Förderung

Das Projekt „bella+ Beratung, Unterstützung und Ausstiegsbegleitung von Frauen in der Armutsprostitution“ wird durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und den Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP) gefördert.

Sex sells! und das Prostitutionsgewerbe in Deutschland blüht

In Stuttgart gingen in den letzten Jahren um die 1.500 Frauen der Prostitution nach (Prostitutionsstatistik 2017, Polizei Stuttgart).

Davon haben etwa 87-88% einen Migrationshintergrund, wovon die meisten aus Rumänien, Ungarn und Bulgarien stammen. Es ist davon auszugehen, dass der Großteil der Prostituierten aus den (südost-)europäischen Ländern aufgrund von sehr großen wirtschaftlichen Nöten, wenn nicht sogar Zwängen – auch von Seiten Dritter aus – und oft unfreiwillig in der Prostitution tätig ist. Die Frauen stehen unter großem Druck, Geld für die Familie zu Hause zu verdienen. Frauen in der Armutsprostitution standen im Fokus unserer Arbeit und machten einen überwiegenden Teil unserer Klientinnen aus.

Durch bella+ unterstützten wir die Frauen, durch Stärkung ihres Selbstwertgefühls und Empowerment, darin ein freieres und geschlechtergerechtes Leben zu erfahren.

Leben als Prostituierte*r in unserer Gesellschaft

Menschen in der (Armuts-)Prostitution ecken an. Die meisten Menschen wollen nichts mit ihnen zu tun haben, ihr Leben ist geprägt von Armut, Ausbeutung, Gewalt und Ungerechtigkeit.
Die folgenden Herausforderungen spielen im Leben der (Armuts-)Prostituierten eine zentrale Rolle.

Stigmatisierung
Prostituierte erleben täglich Stigmatisierung und Ausgrenzung aus unserer Gesellschaft. Sie werden mit der abwertenden Haltung anderer Menschen konfrontiert, erfahren sich als minderwertig und verlassen kaum ihr Umfeld. Es ist ihnen kaum möglich aus ihrem Milieu auszubrechen, da das Stigma der Prostitution so stark haftet. Sei es bei der Bewerbung auf einen anderen Job, auf eine Wohnung, oder im Umgang mit Freunden und Familie, immer leben Sie mit der Angst auf ihre Tätigkeit als Prostituierte reduziert zu werden. Die ständige Abwertung von außen führt zu einem geringeren Selbstvertrauen, einem Verlust an Selbstwertgefühl und starker Unsicherheit. Auch nach dem Ausstieg aus der Prostitution bleibt für die Prostituierten die Unsicherheit mit dem Umgang ihrer Vergangenheit. Sie schämen sich für ihre Situation und haben Angst auf ihre Tätigkeit als Prostituierte reduziert zu werden. Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung zum Bundesmodellprojekt (bmfsfj.de)

Armut
Die Hauptgründe für den Einstieg in die Prostitution sind, laut einer Studie, durchgeführt im Auftrag des Europäischen Parlamentes, Obdachlosigkeit, Armut und das Fehlen ausreichender Mittel. Der Anteil der von Armut betroffenen Menschen ist bei Frauen besonders hoch, auch steigt ihr Risiko dadurch Opfer sexueller Ausbeutung zu werden. Die meisten der im Prostitutionsgewerbe tätigen Frauen sehen keine andere Möglichkeit als die Prostitution um ihre Lebensunterhalt, und häufig auch den ihrer Familie, zu verdienen. Sexuelle Ausbeutung und Prostitution und deren Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechte (europa.eu)

Zwang
In Deutschland sind etwa 400.000 Frauen in der Prostitution tätig. Schätzungen zufolge sind 80%-90% nicht freiwillig in diesem Gewerbe tätig (belastbare Zahlen gibt es allerdings nur wenige). Unterschiedliche Zwänge (wie eben auch extreme Armut) nötigen die Frauen zur Prostitution. Auch der Menschenhandel spielt hierbei eine zentrale Rolle. Allein zwischen 2013 und 2014 wurden in der EU knapp 16.000 Opfer des Menschenhandels registriert. Etwa 67% davon waren betroffen von sexueller Ausbeutung, der Großteil der Opfer von Menschenhandel ist weiblich. Menschenhandel: Fast 16 000 Opfer in der EU | Aktuelles | Europäisches Parlament (europa.eu)

Geschlechterungerechtigkeit
Weibliche (Armuts-)Prostitution ist oft von Geschlechterungerechtigkeit geprägt. Prostituierte erleben ein deutliches Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern, die im Rahmen der Prostitution hauptsächlich als Freier, Zuhälter und Betreiber von Prostitutionsobjekten auftreten. Durch bella+ unterstützen wir die Frauen, durch Stärkung ihres Selbstwertgefühls und Empowerment, darin ein freieres und geschlechtergerechtes Leben zu erfahren. Die Betroffenen sollen die Möglichkeit erhalten, das Erlebte nicht nur als persönliches Schicksal, sondern auch als Teil einer geschlechtstypischen Erfahrung einzustufen, ohne dabei ein negatives, stereotypes Männerbild zu entwickeln. Diese Perspektive wirkt für viele Frauen häufig entlastend und trägt zur Stärkung und Stabilisierung der Frau bei.

Mangelhafte gesundheitliche Versorgung Der prekären Lebensbedingungen der meisten Menschen in der Armutsprostitution führen zu einem allgemein schlechten Gesundheitszustand. Ein großes Problem der Prostituierten ist die mangelhafte gesundheitliche Versorgung und der schlechte Zugang zu Versorgungsangeboten. Gewalterleben und verantwortungsloses Handeln der Freier (z.B. Drängen auf Geschlechtsverkehr ohne Kondom) verstärkt dieses Problem. Gesundheit und Prostitution in Deutschland springermedizin.de

Prostitution – ein Job wie jeder andere?

Prostitution zählt, so sagt man, einerseits zu den ältesten Gewerben der Welt, andererseits entspricht die Lebenswirklichkeit der meisten Prostituierten in Europa nicht dem gemeinsamen Werteverständnis der EU, sodass das Europäische Parlament 2014 eine nicht bindenden Resolution zur Eindämmung der Nachfrage nach Prostitution verabschiedet hat (Vgl.: Die Freier bestrafen, nicht die Prostituierten, fordert das Parlament | Aktuelles | Europäisches Parlament (europa.eu) (07.06.2021)).

Die Rechtslage zur Prostitution ist in Europa jedoch keineswegs einheitlich geregelt. So gibt es einige Staaten, wie etwa Italien, Belgien, oder Spanien in denen die Prostitution kaum reguliert ist (laendervergleich.pdf (stopp-prostitution.ch)). Dem gegenüber stehen andere Länder wie Schweden, Frankreich, oder Irland in denen das Schwedische Modell (bzw. Nordische Modell) gilt: Die Freier und nicht die Frauen machen sich strafbar, damit gilt hier kein Prostitutions-Verbot, sondern ein Sexkaufverbot (laendervergleich.pdf (stopp-prostitution.ch)). Ein Prostitutionsverbot herrscht in Rumänien und Kroatien. Dennoch ist Prostitution in diesen Ländern weit verbreitet und viele Opfer von Menschenhandel in der Prostitution stammen aus diesen Ländern (laendervergleich.pdf (stopp-prostitution.ch)). Legal (wenn auch unter bestimmten Einschränkungen wie etwa dem Verbot der Zuhälterei) ist Prostitution und der Sexkauf in den Niederlanden, Griechenland, der Schweiz, Österreich und Deutschland. Die wenigsten der europäischen Länder entsprechen damit der Resolution des Europäischen Parlaments zur Eindämmung der Nachfrage nach Prostitution. In den meisten Ländern, so auch in Deutschland, gibt es Organisationen die sich für die Umsetzung des europäischen Beschlusses in Form des Nordischen Modells (Sexkauf und nicht Prostitution verbieten und Ausstiegshilfen für die Prostituierten) einsetzen. Gleichwohl gibt es aber auch Organisationen die eine (weitere) Liberalisierung der Prostitution fordern, insbesondere um der starken Stigmatisierung der Prostituierten entgegenzuwirken.

Informationsmaterial

bella+ Leitfaden Prostitutionsausstieg Fachkräfte

Der Leitfaden Prostitutionsausstieg unterstützt Hauptamtliche bei der Begleitung von Frauen aus der (Armuts-)Prostitution in Stuttgart. Neben einer Übersicht zu den notwendigen Schritten im Ausstiegsprozess führt er viele hilfreiche Kontaktdaten im Stuttgarter Hilfsnetzwerk auf.

bella+ Leitfaden Prostitutionsausstieg Ehrenamt

Der Leitfaden unterstützt Ehrenamtliche, die mit Frauen in Kontakt sind, die aus der (Armuts-)Prostitution aussteigen möchten. Er bietet einen Überblick über den Ausstiegsprozess und den damit verbundenen Hürden. Außerdem führt er Kontaktdaten zu Ansprechpartnerinnen beim Prostitutionsausstieg auf.

Flyer bella+

Der Flyer des Projekts bella+.

Projektangebot

bella+ war ein umfassendes Beratungsangebot für Frauen in der Armutsprostitution in Stuttgart. Über die direkte Ansprache der Frauen auf der Straße (Streetwork) wurde der erste Kontakt hergestellt. Die Beraterinnen von bella+ standen den Frauen zur Seite und vermittelten sie je nach Problemlage in das Hilfsnetzwerk weiter.

Aufgrund der Lage und Verfassung der Frauen in der Armutsprostitution lag der Schwerpunkt darin, ihre gesundheitliche und psychische Verfassung zu verbessern und sie zu stabilisieren, ihnen Beratung zu jeglichen Fragen und Problemen anzubieten, ihnen Zugang zu weiterführenden geeigneten Angeboten im regulären Hilfesystem zu ermöglichen sowie sie bei einem gewünschten Ausstieg aus der Prostitution zu unterstützen.

Dabei spielten das Empowerment der Frauen und die nachhaltige Verbesserung ihrer Situation eine wichtige Rolle. Aufsuchende Beratung war durch die oben beschriebene Situation der Frauen in der Armutsprostitution ein elementarer Baustein in der Arbeit. Dabei musste über eine längere Zeit Kontakt und Vertrauen zu den Frauen aufgebaut werden. Hilfreich war dabei die Möglichkeit der bulgarisch-muttersprachlichen Beratung durch eine Psychologin. Da die Beraterinnen des Projektes für jegliche Angelegenheiten für die Frauen als Ansprechpartnerinnen dienten, agierten sie als sogenannte „Case-Managerinnen“ und waren im Stuttgarter Hilfesystem gut vernetzt.

Ziel war es, eine Brücke zwischen den Frauen in der Armutsprostitution und den etablierten Angeboten bzw. dem regulären Hilfesystem zu bauen mit dem Augenmerk vor allem auf jene Frauen, die nicht leistungsberechtigt sind.

Projekterfolge

732
Frauen beraten (2016-2021
528
Frauen erfolgreich ins Hilfesystem vermittelt (2016 – 2021)

Projektbeteiligte

Projektpartner

Bella+ war ein Verbundprojekt der Werkstatt PARITÄT mit dem Caritasverband für Stuttgart e.V. und Lagaya e.V. 

Kooperationspartner

Das Projekt findet in Kooperation mit der Landeshauptstadt Stuttgart statt.

bella+ (2019-2021) ist das Folgeprojekt von Bella (2016-2018). Ab 2022 wird bella+ in die Regelfinanzierung der Stadt Stuttgart übergehen und so als dauerhaftes Angebot im Stuttgarter Hilfenetzwerk für Menschen in der Armutsprostitution zur Verfügung stehen.